Hundezucht wird kontrovers gesehen. Ihre Gegner verweisen gerne auf bevölkerte Tierheime und vielfältiges Hundeelend in Deutschland und der Welt einerseits und andererseits – teilweise nur zurecht – auf kritikwürdige Erscheinungen in der reinen Schönheitszucht, die körperliche Merkmale manchmal grotesk überbetont und darüber die Gesundheit der Hunde aus den Augen verliert.
Dachshunde, wahrscheinlich 19. Jahrhundert
Sicherlich, bei Rassen, deren Muttertiere kaum mehr auf natürlichem Weg gebären können und regelmäßig auf einen Kaiserschnitt angewiesen sind, ist genauso etwas aus dem Ruder gelaufen, wie bei extrem kurzköpfigen Hunden, die stets gegen den Erstickungstod kämpfen, um nur zwei, freilich extreme, Beispiele zu nennen.
Dachshund von 1887
Insbesondere Kurzhaardackel sind von solchen Problemen wenig betroffen. Das hat seine Ursache nicht unbedingt darin, dass Dackelzüchter etwa schlauer wären als Züchterinnen anderer Rassen. Dasselbe beobachtet man bei allen Rassen, deren Angehörige tatsächlich noch in nennenswerter Anzahl „arbeiten“. Eine „arbeitende“ Rasse ist durch die körperlichen Anforderungen an die Arbeit vor so mancher Entgleisung des gerade modischen Geschmacks einigermaßen gefeit. Allerdings gehören Dachshunde zu den eher langlebigen Hunderassen und erreichen durchaus ein Alter von über 15 Jahren. Im höheren Alter, etwa ab 8 Jahren, sollte daher auch bei Dackeln auf Erkrankungen des Herz-/Kreislaufsystems, die mit entsprechender Medikation in der Regel gut in den Griff zu bekommen sind, regelmäßig kontrolliert werden.
Dachshund | Dogs of all nations (1915)
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es in der Tier- und speziell der Hundezucht darum ginge, „konservierend“ tätig zu werden indem man einen historischen Urtyp wieder und wieder reproduziert. Vergleicht man historische Darstellungen früher Dackel mit Dackeln des 21. Jahrhunderts, fallen einem die Unterschiede ins Auge. In der Zucht arbeitet man auf ein Ideal hin, das für die Dackel im FCI Rassestandard 148 formuliert ist, und dessen Merkmale kaum je ein Hund in sich idealtypisch vereint. Festgelegt wird dieser Standard vom DTK. Dieser Standard selbst ist nicht unabänderlich oder ewig. Er wurde und wird regelmäßig überarbeitet und formuliert dann unter Berücksichtigung des Istzustands der Dachshundrassen die künftigen Zuchtziele in Teilen neu.
Der Standard ist das eine, seine Interpretation aber das andere. Die Interpretation ist ebenfalls wechselnd und unterliegt durchaus auch bestimmten Moden; schließlich wird sie von Züchtern, und mehr noch Richterinnen, die auch nur Menschen sind, immer wieder neu vorgenommen. So werden manchmal längere, manchmal kürzere Dackel bevorzugt mit ersten Preisen und Titeln auf Ausstellungen bedacht; manchmal solche mit eher kurzen und manchmal mit eher langen Läufen, usw. Trotz des international gültigen Standards sind dabei durchaus auch von Land zu Land unterschiedliche Typausprägungen favorisiert (oder werden im Fall der -wen wundert es?- Briten und Amerikaner, die nur Normal- und Miniaturdackel unterscheiden und keinen Zwergenschlag kennen, anders gehandhabt).
Champion Gunther von Marienlust, Date of Birth: August 10, 1939 [The Dachshund History Project]
Dieser Interpretationsspielraum ist durchaus gewollt. Wie schon oben erwähnt, „den“ idealtypischen Hund, der in allen Teilen zu 100% dem Rassestandard repräsentiert, gibt es nicht. Es gibt immer nur Hunde, die insgesamt sich im Rahmen des Rassestandards entwickelt haben oder eben nicht. Letztere werden von der weiteren Zuchtverwendung ausgeschlossen. Die übrigen, bzw. deren Züchter und Halterinnen, balgen sich dann in aller Ruhe darum, wer den nun dem Ideal des Rassestandards insgesamt am nächsten kommt.
Sie werden feststellen, dass sich das obige zumeist auf das Äußere, den so genannten Phänotyp, bezieht. Diesem Äußeren liegt ein Gen-Repertoire zugrunde. Diese nicht unmittelbar sichtbare Ausstattung, der Genotyp, ist in mancher Hinsicht sehr viel wichtiger für den Züchter. Allerdings ist das Wissen um die Genetik -wir nehmen uns da keinesfalls aus- unter Hundezüchtern eher rudimentär vorhanden. Gleichzeitig scheint es, als sei „Genetik“ als Wort ein Schlüsselreiz geworden und die -durch kommerzielle Anbieter nach Kräften geförderte- Testung nach allen möglichen Merkmalen geschieht manchmal etwas unkritisch. Uns will scheinen, dass dies auch etwas mit den in Deutschland auf den Dackel bezogen vorherrschenden Kleinzuchtstätten zu tun haben könnte.
Champion D’Arisca Designer Classic – 1994 | Champions Gallery
Es ist durchaus wünschenswert, dass Hunde und insbesondere Dackel nicht in anonymen Großzuchtstätten in Zwingeraufzucht gezogen werden. Andererseits lernt man nur durch Erfahrung. Woher aber soll diese denn kommen, wenn man nur alle zwei Jahre einen Wurf macht? Sicherlich besteht die Möglichkeit, zumindest über den VDH, an Züchterseminaren teil zu nehmen und sich so theoretisches Wissen vermitteln zu lassen, aber die praktische Erfahrung können diese nicht ersetzen. So ist vielleicht erklärlich, dass die Neigung wächst, sich auf Testverfahren zu verlassen. Allerdings birgt diese Entwicklung auch die Gefahr, seine Sinne bzw. deren Gebrauch zu vernachlässigen. So hat z.B. der Progesterontest zur Bestimmung des richtigen Deckzeitpunktes einer läufigen Hündin durchaus seine Vorzüge. Andererseits aber darf das nicht dazu führen, dass ein Züchter nicht mehr in der Lage ist, ohne Progesterontest bei seiner Hündin den richtigen Decktag hinlänglich genau abzuschätzen.
Dackel gehören, wie andere „Arbeitshunde“ auch, zu den eher robusten Rassen. Ein Hund, der seiner Arbeit aufgrund „angezüchteter“ gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht nachgehen könnte, und das ist beim Dackel die vielseitige Verwendung auf der Jagd, wäre ein Widerspruch in sich.
Verantwortungsvolle Rassehundezucht erzeugt keine vorhersehbaren Ergebnisse. Sie vermittelt Ihnen aber einen Hund, dessen Körper-, Wesens- und Verhaltensmerkmale sich in einem abschätzbaren Rahmen bewegen. Bei einem Junghund ungewisser Herkunft oder aus u.U. nicht genau bekannter Kreuzungsverpaarung erhalten Sie zunächst eine Wundertüte, deren Inhalt erst sehr viel später klar wird. Die Erwartung, dass Mischlingshunde robuster oder gesünder seien als Hunde aus verantwortungsvoller Rassezucht trügt. Denken Sie nur daran, dass die Eltern von Mischlingen meist selbst Rassehunde sind. Die Hoffnung, dass Mischlinge aus Rassehunden ausschließlich die guten Eigenschaften ihrer Eltern erben ist… naiv.