Nachtfahrt und früher Morgen
Salzburg, also. World Dog Show 2012. Wenn man schon mit mehr Glück als Verstand an Teckel geraten ist, die aus der Masse ragen und mit einer Züchterin bekannt wurde, die es übernahm, eine Unterkunft zu organisieren, so dass man sich nur noch ins Auto zu setzen braucht, dann soll man das Reisen nicht scheuen. Der Plan lautete, bis Dienstag gepackt zu haben, nach der Arbeit noch ein kleines Abendbrot einzunehmen, die Hunde ausgiebig auszuführen und dann entspannt der ersten Stauwelle vor Himmelfahrt durch die Nacht gen Süden nachzureisen.
Nun ja, Pläne haben bekanntlich alles, nur keinen Bestand. Die Einzelheiten erspare ich. Nur soviel: die Töne wurden schärfer, die Uhr tickte lauter und die Hunde wunderten sich. In Salzburg angekommen atmete ich fahrlässigerweise auf und dachte mich am Ziel, jedoch hatte ich die Rechnung ohne das Navigationssystem gemacht. Am Rand der Hohen Tauern sollte unsere Unterkunft liegen; an sich schon noch etwa eine Stunde Autofahrt von Salzburg entfernt. Nach zwei Stunden zwar liebreizend anzuschauender schneebedeckter Berge und Täler gerieten wir auf klein und kleiner, steil und steiler werdende Straßen, Wege, Pfade und wunderten uns dann doch, als die Schneegrenze erreicht war. Gut, ein Haus war zu erkennen, aber keine Teckel zu sehen. Vorsichtig und schüchtern strichen wir um Haus und Hof bis es gelang, einen nicht minder verwunderten Bauern ausfindig zu machen, der uns, was wir schon ahnten, bestätigte: Wir waren falsch. Der ganze obere Teil des Tales hatte denselben Ortsnamen und wir fanden, der Weg bergab war noch unheimlicher als hinauf.
Die Verzögerung hatte natürlich auch ihr Gutes; unter großem Hallo kamen wir gerade recht zum Frühstück der schon ein paar Tage anwesenden übrigen Teckelfreunde und Engels Tango (Bruno gerufen) hatte Gelegenheit, seine am 25. Mai wölfen sollende „Frau“ auch nach dem Deckakt mal zu sehen um sich zu betrachten, was er da so angerichtet hatte. Die Müdigkeit der durchwachten Nacht war weggeblasen, die Hunde scharrten mit den Hufen und also machten wir uns mit einem Teil der Gruppe auf erste Erkundungswanderungen in herrlichster Berglandschaft. Aufsehen war uns garantiert, denn eine Meute Kurzhaarteckel aller Farben und Größen hat schon was. Publikum war wegen Himmelfahrt auch garantiert und das einzige was Bedenken verursachte war das Fassungsvermögen des Mülleimers am Wanderweg, der rasch mit Kotbeuteln in allen Farben sich füllte. Am Abend wurden der Grill angeworfen und Pläne für den nächsten Tag gemacht; leider wurde auch offensichtlich, dass ein Teil der Gruppe nicht realisiert zu haben schien, was es bedeutet, zu acht mit 18 Hunden in einem Haus zu sein. Man zog sich unter Beteuerungen, dass alles in Ordnung sei, in die Küche zurück und gärte offensichtlich vor sich hin.
Als wir am nächsten Nachmittag nach einer wiederum herrlichen Wanderung zum Haus zurückkehrten, war die Überraschung groß. Das Haus war von vier Mitreisenden geräumt worden; einen Hinweis suchte man vergeblich. So weit, so gut und über mehr Platz für uns verbliebenen vier wollten wir uns nicht beklagen. Dumm nur, dass die Organisatorin des Ganzen von ihrer Mitfahrerin mit vier Teckeln, darunter eine hochträchtige, bei dieser ungemein erwachsenen Aktion sitzengelassen worden war und nun zusehen konnte, wie sie wieder nach Nordrhein-Westfalen zurück kommen sollte.
Sonnabend, zur österreichischen Klubsieger-Ausstellung hatten wir nicht gemeldet, was ein Glück war, denn morgens machte Brunos „Frau“ Anstalten zu wölfen. Während unsere verbliebenen Mitstreiterinnen zur Ausstellung fuhren, versuchten wir ein Auge zu haben und möglichst beruhigend auf die Hündin zu wirken. Als sie jedoch am Nachmittag ein Schläfchen hielt und wieder tüchtig fraß, dachten wir, es mit einem Voralarm zu tun gehabt zu haben und gingen mit unseren Hunden ein Stündchen spazieren, wobei ich noch bemerkte, dass die Hündin bestimmt halten werde, bis ihre Halterin wieder da sei. Und so war es dann auch. Kaum war Brigitte abends von der Ausstellung zurück ging es auch schon los und es wurden bis Mitternacht sechs hübsche Welpen nach Engels Nina-Ninette und Engels Tango entwickelt. Nun, mit einem neuen Wurf war an die World Dog Show nicht mehr zu denken und nur noch zu dritt machten wir uns dann Sonntag in aller Herrgottsfrühe auf den Weg nach Salzburg.
Im Auto flötete der Wetterbericht fröhlich den Hochsommer herbei und kündigte aufgrund Föhnlage Temperaturen von mehr als 30°C an, sowie aufgrund des großen Andrangs rund um das Messegelände diverse Staus, so dass wir schließlich nach zwei Stunden den Wagen parken und uns auf den Weg in die Hallen machen konnten.
Hier ist gleich das erste Lob an die Freunde von der ÖKV zu richten: Von der Vorkontrolle bei Einfahrt über die Parkplatzzuweisung bis zur Veterinär- und Einlasskontrolle funktionierte alles reibungslos und wie am sprichwörtlichen Schnürchen. Kein stundenlanges Schlangestehen und dadurch Reduzierung des Stress für die Tiere auf ein Minimum. Perfekt. Auch in den Hallen war genug Personal vorhanden, das auf die Einhaltung der eingezeichneten Flächen freundlich aber bestimmt bestand und jedem drohenden Chaos entgegenwirkte. Welch wohltuender Gegensatz zu so mancher bundesdeutschen Großveranstaltung, gleich ob unter dem Dach des DTK oder VDH!
Vorbildlich auch, dass während der Veranstaltung wohlverstandenem Tierschutz zur Geltung verholfen wurde, indem wieder und wieder Ausstellern, die Tiere in den Fahrzeugen zurückgelassen hatten, die Fahrzeuge nach ergebnislosem Ausruf in der Halle die Fahrzeuge aufgebrochen wurden. Ebenso hatte man ein waches Auge darauf, dass auch in den Hallen die Tiere in ausreichend großen Behältnissen untergebracht wurden und scheute sich nicht einzugreifen, wenn dies einmal nicht der Fall war. Offen gestanden, ein aktives Bemühen, das jenseits gedruckter Lippenbekenntnisse auch so manch anderen Veranstaltung gut anstünde.
Unser Bruno (Engels Tango) machte bella figura und wurde mit einem V4 belohnt; Germandachs Nella Bella holte sich bei ihrer ersten Ausstellung am Tag nach ihrem neunmonatigen Geburtstag ihr erstes V ab.
Die einzelnen Klassen waren natürlich reichlich besetzt und es wurde deutlich, dass es durchaus auch dem Richter gegeben ist, einen reibungslosen und auch den Aussteller zufriedenstellenden Ablauf des Richtens herbeizuführen. Während der eine Richter große Klassen im Ring teilte und dafür sorgte, dass die Hunde auch den Platz finden, sich zu zeigen, sorgte der andere dafür, dass sich im Ring ein Gehoppele und Gestolpere entwickelte, wenn der erste schon auf den letzten, der beinahe noch stand, auflief.
Auffällig ist, nicht nur in Salzburg, dass die Zahl derjenigen platzierten Tiere zuzunehmen scheint, die ohne Hilfe nicht in den Stand kommen. Das mag noch nicht einmal anatomische Ursachen haben, deutet aber u.U. auf Haltungsbedingungen hin, die suboptimal sind und zu grundsätzlich verängstigten und unsicheren Tieren führen können. Wenn man am Rand des Ringes steht und zusieht, wie sich die Führer bei jeder Gelegenheit zu Boden werfen um Pfote für Pfote in -unnatürliche- Position zu bringen und dasselbe hinter dem Rücken des Richters, der gerade einen anderen Hund in der Bewegung beurteilen will, auf dem Richttisch machen, können einen Zweifel am Sinn von Ausstellungswesen und nicht so sehr dem Sehenkönnen, aber dem Sehenwollen des Richters anwehen. Ich wünschte mir das eine oder andere mal, der Richter möge doch einmal den völlig überstreckten Hund in aller Unschuld aufnehmen, wieder absetzen und ihn seinen eigenen Stand einnehmen lassen.
Es ist kein Geheimnis, dass in Deutschland nur ausnahmsweise Geld mit dem Teckel verdient wird. Dies ist in anderen Ländern wesentlich anders. Ungeachtet der Rassestandardhoheit des DTK scheinen vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Potenz bei den Kurzhaarteckeln, insbesondere Zwerg und KT, „niedliche“ Teckel, niedrig gebaut und pummelig, alleine durch ihre schiere Zahl den Standard faktisch neu zu setzen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als kapitulierten die Richter teilweise vor den Erwartungen der Aussteller und der Veranstalter.
Diese Entwicklung mag man hinnehmen oder ablehnen, aber man muss sich zu ihr verhalten. Bloße Appelle, so ehrenvoll sie auch sind, doch mehr auf die Typtreue zu achten, scheinen in ihrer Wirkung auf die möglicherweise bedeutungsärmer werdende deutschsprachige Richterschaft beschränkt und genügen nicht, wenn das Ergebnis so aussieht, dass standardorientierte Richter weniger und weniger eingesetzt werden und auf den Schauen Platzierungsentscheidungen getroffen werden, von denen man meinen muss, dass sie durch andere Dinge hervorgerufen wurden als die Anlegung des Rassestandards als Maßstab. Natürlich wird dieser angebliche Umstand gerne bemüht, wenn die Frage aufgeworfen wird, warum denn so relativ wenige DTK-Teckel international gezeigt werden und es wird auf die ominöse World Dog Show Paris 2011 verwiesen. Gerade weil meistenteils kein Geld verdient und die Zucht als Liebhaberei betrieben werde, scheue man angesichts der angeblich vorhersehbar fragwürdigen Platzierungsentscheidungen Aufwand und Kosten. Dennoch: gerade in Salzburg, das nun nicht wirklich keine Weltreise darstellt, hätte ich erheblich mehr Hunde und Aussteller aus dem DTK erwartet. Keine Sprachbarriere, keine weite Anreise und dadurch keine wesentlich erhöhten Kosten; eine beliebte Touristenregion und Himmelfahrtwochenende. Wer da zuhause bleibt ist selber schuld. Und bitte: Keine Scheu vor der World Dog Show oder anderen Ausstellungen im Ausland. Abgesehen davon, dass die meisten Führer sich etwas schicker gemacht haben, ist das eine ganz normale Ausstellung und auch dort wird nur mit Wasser gekocht und im Kreis gelaufen wie anderswo auch. Wer aber gar nicht erst kommt überlässt das Feld anderen und lässt so zu, dass diese die Maßstäbe setzen.
Wie auch immer, aufgrund der großen Hitze entschlossen wir uns, nicht wie ursprünglich vorgesehen gleich wieder nach Berlin zu fahren, sondern zu unserer Unterkunft, Brigitte und den Welpen zurückzukehren, dort noch einmal einen Spaziergang zu wagen und erst am späten Abend aufzubrechen. Nach dem einen oder anderen Sekundenschlaf waren wir dann am Montag pünktlich zu Arbeitsbeginn wieder in Berlin und schworen uns „Nie wieder!“, wenn auch mit leiser Stimme und wissend, dass wir uns eben gegenseitig angelogen hatten.
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